Die Kriege und die Scheissbedingungen, die vom Kapital und den Staaten aufgezwungen werden, treiben tausende Menschen ins Exil. Viele unter ihnen entfliehen den religiösen oder staatlichen Verfolgungen Richtung Europa in der Hoffnung, Flüchtlings- oder Asylstatus zu erhalten. Für die Autoritäten gilt es, sie zu registrieren (insbesondere über eine genetische Datenbank, die von der Eurodac Regelung – ein Teil der Dublin II-Verordnung – eingesetzt wurde), sie unter Kontrolle zu halten, sie in Erwartung ihrer Rückstellung abzustellen. Die Diplomiertesten können ein Bleiberecht „gewinnen“, da sie durch die Wirtschaft direkt ausbeutbar sind. Doch für die grosse Mehrheit derer, die lebendig auf das Staatsgebiet gelangen, wartet die Hölle oder anders gesagt, ein „Leben“ in permanenter Angst von den Bullen gefasst zu werden, eingesperrt in einem CRA zu enden um dann in ihr Herkunftsland (oder in ihr erstes europäisches Ankunftsland nach der Dublin III-Verordnung) abgeschoben zu werden.
Um die Sans-Papiers zu registrieren, einzuteilen, einzusperren und abzuschieben stützt sich der Staat auf verschiedene karitative Verbände, die im Gegenzug reichlich mit Subventionen eingedeckt werden. Die offenkundigsten sind: das Rote Kreuz, das sich momentan an der Grenze zwischen Menton und Ventimiglia hervortut, indem sie – als Unterstüzung für die Bullen – Migranten, die nach Frankreich kommen wollen, in die CIEs, die sie verwaltet, zurückzusendet; Emmaüs, eine Organisation des Geistlichen Pierre, die die Sans-Papiers in Paris sortiert, um die polizeiliche Arbeit zu vereinfachen, und Empfangszentren betreibt; L‘ordre de Malte und France Terre d‘Asile, die praktisch alle Internierungszentren in Frankreich betreuen; La CIMADE setzt sich in den CRAs angeblich für die Rechte der Sans-Papiers ein, ist in Wirklichkeit aber darum bemüht, ihre Inhaftierung „humaner“, also akzeptabler, zu gestalten. Sie spielen die ideale Rolle, die vom Staat erwartet wird: diejenige, der sozialen Befriediger. Doch sind diese grossen karitativen Organismen, die sich den Kuchen auf dem Markt der Misere der Sans-Papiers teilen, bei weitem nicht die einzigen, die sich einmischen. Bereits in der sechsten Ausgabe haben wir die Rolle von La Vie Active in Calais erwähnt, die die Verwaltung des Hochsicherheits-Megacamps übernommen hat.
In Besançon, wie in vielen anderen Städten in Frankreich, wurde während dem Sommer 2016 im Zuge der neuen Reform CESEDA (Code de l‘entrée et du séjour des étrangers et du droit d‘asile, z.dt.: Richtlinien zur Einreise und zum Aufenthalt von Ausländern und zum Asylrecht) vom Staat eine neue Methode zur Überwachung der Sans-Papiers geprobt: der Hausarrest, der als Alternative zur Inhaftierung präsentiert wurde. Die Mauern ausserhalb der Gefängnisse auszuweiten, steht in der aktuellen Logik der Herrschaft. Ob für die Gefangenen (unter der Macht des Justizministerium) oder für die Migranten (unter der Macht des Innenministerium) versucht der Staat die Gefängnisse oder die Internierungszentren zu entlasten, indem er alternative Strafen verhängt, wie das Tragen von elektronischen Fussfesseln, gerichtliche Überprüfungen oder verschiedene Verpflichtungen, um regelmässig bei den Bullen oder bei den Richtern erscheinen zu müssen, etc…
In der Hauptstadt von Doubs ist es die ADDSEA (l’Association Départementale du Doubs de Sauvegarde de l’Enfant et de l’Adulte, z.dt.: Verein zum Schutz von Kindern und Erwachsenen), 23, rue des Granges, die das „Empfangszentrum für Flüchtlinge“ (nächtliche Unterkunft) im Krankenhaus von St-Jacques leitet. Das Personal, und vor allem die Mediatoren, wahrhaftige Bullen, üben insbesondere durch die verhängte Ausgangssperre (ab 21h) immer mehr Kontrolle über das Leben der Migranten aus. Im Falle, dass sie nicht ins Heim zurückkehren, werden ihnen alle sozialen Dienste (Essen, verschiedene Beschaffungen, Taschengeld, etc.) gestrichen und haben so keine andere Wahl als „sich durchzuwursteln“. Für die kleinste Hilfe, die sie erhalten, wie der Zugang zu einem weniger feindlichem, düsterem und miserablem Schlafplatz als diese „Empfangszentren“, müssen sie bezahlen. Desweiteren sind die Migranten gezwungen, jeden Tag beim Kommissariat zu erscheinen, um ihre Anwesenheit zu bestätigen. Wenn es zu irgendwelchen Abweichungen vom Reglement des Zentrums kommt, schliesst sie der Verein aus und hetzt die Polizei auf ihre Fersen, die sie einpacken, einsperren und abschieben. Diese Überwachung, die den Migranten absolut keinen Schutz vor einer Abschiebung bietet, zwingt sie, die Kontrollen zu akzeptieren, um das überlebensnotwendige Existenzminimum zu erhalten. Auch für die Bullen ist es vorteilhaft, immer zu wissen, wo sie die Migranten im Hinblick auf ihre Abschiebung finden. Deshalb entscheiden sich auch einige Sans-Papiers, diese widerliche Erpressung nicht hinzunehmen und, mit dem Risiko gefasst, in einem CRA eingesperrt und manu-militari abgeschoben zu werden, von den staatlichen und städtischen Diensten zu desertieren.
Es bestehen verschiedene Mittel, um gegenseitige Hilfe und Solidarität mit den Sans-Papiers auszudrücken (wie dem Öffnen von Besetzungen oder dem Sammeln von Lebensmitteln, Kleidern…). Ein grosser Teil von solidarischen und revolutionären Personen hat allerdings die Tendenz zu vergessen, dass sich die praktische Solidarität in der Sabotage der unzähligen Räder der Abschiebemaschine realisieren kann, die sich, wenn man die Augen beim Spazieren weit aufmacht, überall finden lassen: die Banken, die die Sans-Papiers bei den Bullen melden (wie La Poste, BNP Paribas, LCL), die Fluggesellschaften, die die Flüge durchführen (wie Air France), die Reinigungsfirmen, die die CRAs instand halten (wie zum Beispiel Derichebourg), oder diese berühmten karitativen Vereine, die mit der Migrationspolitik der Staaten kollaborieren.
Übersetzung: Aus dem Herzen der Festung